Was die Ukrainer über Putin, Nord Stream, Merkel, Biden und Macron denken – aber auch über ukrainische Politiker

Mit Beginn der neuen politischen Saison erfassen Demoskopen die öffentliche Meinung zur Außenpolitik der Ukraine und zum Weltgeschehen, aber auch zu führenden Politikern sowie zu innenpolitischen Fragen. Eine Umfrage der soziologischen Gruppe “Rating”, durchgeführt vom 2. bis 4. September 2021, sowie eine Studie der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen”, durchgeführt im Vorfeld des 30. Jahrestags der Unabhängigkeit des Landes, liefern interessante aktuelle Zahlen. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Krim-Plattform. Laut der Umfrage der soziologischen Gruppe “Rating” hat sich die Anzahl derjenigen, die über die Krim-Plattform informiert sind, in den letzten fünf Monaten von 45 % im April auf 66 % im September erhöht.

Auch die Zahl derjenigen, die diese ukrainische diplomatische Initiative positiv bewerten, ist gestiegen (von 38 % im April auf 50 % im September). Unter denjenigen, die über den Inhalt der Krim-Plattform gut informiert sind, stehen fast 80 % dieser positiv gegenüber.

Der erste Gipfel der Krim-Plattform fand am 23. August 2021 in Kiew statt. Die Krim-Plattform ist eine Initiative der ukrainischen Führung, mit der eine Verhandlungs-Plattform geschaffen werden soll. Ihr Ziel ist, die Maßnahmen der Ukraine und ihrer internationalen Partner zu koordinieren, um so die Rechte der Menschen auf der Krim zu schützen und schließlich eine De-Okkupation der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel zu erreichen. Am ersten Gipfel der Krim-Plattform nahmen 46 Teilnehmer teil – Vertreter von Ländern und internationalen Organisationen.

Nord Stream 2. Den von “Rating” befragten Ukrainern ist der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland unter Umgehung der Ukraine gut bekannt: 50 % wissen davon, 31 % haben etwas darüber gehört und nur 18 % wissen nichts. 41 % glauben, dass die Ukraine keine Möglichkeit hatte, den Bau der Gaspipeline zu stoppen. Verantwortlich dafür machen 20 % den ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko und 3 % seinen Amtsnachfolger und jetzigen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Ein Viertel der Befragten macht beide dafür verantwortlich.

Einstellung zu Merkel, Biden und Macron. Unter den führenden Politikern der Welt haben die Ukrainer die beste Einstellung zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (73 % positiv, 19 % negativ) und US-Präsident Joe Biden (64 % positiv, 19 % negativ). Allerdings hat sich in den letzten Monaten die Haltung gegenüber Biden etwas verbessert und die gegenüber Merkel etwas verschlechtert.

Der französische Präsident Emmanuel Macron wird von 57 % positiv bewertet, von 19 % negativ und 23 % haben keine Meinung zu ihm. Der polnische Präsident Andrzej Duda wird von 54 % positiv bewertet, von 10 % negativ und 37 % haben keine Meinung.

Einstellung zu Putin und Lukaschenko. Die Einstellung der Ukrainer gegenüber den Führern von Belarus und Russland ist hingegen überwiegend negativ. So haben 59 % der Befragten eine negative Meinung zu Alexander Lukaschenko, nur 34 % haben eine positive. Diese Einstellung zum belarussischen Machthaber hat sich aber im letzten Jahr von 45 % auf 34 % und in den letzten zwei Jahren von 67 % auf 34 % verschlechtert.

Von Wladimir Putin haben 81 % eine negative Meinung, nur 15 % haben eine positive.

Ukrainische Politiker, die die Eigenstaatlichkeit der Ukraine gestärkt haben. Bei einer vom 29. Juli bis 4. August landesweit durchgeführten Umfrage der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” in Zusammenarbeit mit dem Rasumkow-Forschungszentrum, anlässlich des 30. Jahrestags der Unabhängigkeit des Landes, wurden die Menschen gefragt, welche Politiker ihrer Ansicht nach am meisten die Eigenstaatlichkeit und Souveränität der Ukraine gestärkt haben. 10,2 % nannten den ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko und 10 % den zweiten Präsidenten des Landes, Leonid Kutschma. Der Anführer der Volksbewegung der Ukraine “Ruch”, Wjatscheslaw Tschornowil, kommt auf 8,5 %, der erste Präsident Leonid Krawtschuk auf 6,1 % und der jetzige Präsident Wolodymyr Selenskyj auf 5,6 %. Der dritte Präsident des Landes, Wiktor Juschtschenko, wurde von 5,4 % genannt und die Politikerin Julia Tymoschenko von 4,6 %. Der nach Russland geflüchtete Ex-Präsident Viktor Janukowytsch wurde von gut 2 % erwähnt.

Wunsch nach einer “starken Hand” – aber mit Rechtsstaatlichkeit. Den Umfragen zufolge besteht innerhalb der ukrainischen Gesellschaft der Wunsch nach einer “starken Hand” und nach einem Staatschef mit Autorität. Paradox ist, dass einerseits die meisten Ukrainer einen starken Politiker als ihr Staatsoberhaupt sehen wollen, der für Ordnung im Land sorgen kann, doch andererseits lehnen die Befragten kategorisch etwaige Gesetzesverstöße seitens eines solchen Staatschefs ab.

Prozentual sieht dies so aus: 54 % der Befragten glauben, dass ein paar starke Anführer mehr für das Land tun können als alle Gesetze und Debatten zusammen. Gegenteiliger Meinung ist ein Viertel der Befragten. Gleichzeitig finden 72 %, dass jeder starke Anführer sich an das Gesetz halten muss und es nicht brechen darf.

Zu den Personen, die von den Befragten als “starke Anführer” bezeichnet werden, zählen Wolodymyr Selenskyj, Petro Poroschenko, Julia Timoschenko und Jurij Bojko – die wichtigsten möglichen Kandidaten bei Präsidentschaftswahlen. Diese Politiker werden auch oft als die würdigsten bezeichnet, das Präsidentenamt zu bekleiden.

Stolz auf die ukrainische Staatsbürgerschaft – aber kritische Sicht auf Vergangenheit. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (72 %) ist eher oder sehr stolz auf die ukrainische Staatsbürgerschaft. Nur 18,5 % sind weniger oder gar nicht stolz auf sie. Generell ist in den letzten 19 Jahren ein stetiger Aufwärtstrend bei der Zahl derjenigen zu verzeichnen, die stolz oder sehr stolz auf ihre ukrainische Staatsbürgerschaft sind.

Allerdings sind die Befragten nicht der gleichen Einschätzung, wenn es um Ereignisse geht, die sich in der Ukraine seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 zugetragen haben. 18 % der Befragten glauben, dass es mehr Positives gab, 29 % finden, dass es mehr Negatives gab und 46 % sagen, dass sich Negatives und Positives ungefähr die Waage halten. Laut der Studie der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” ist aber seit 1991 ein Anstieg des Anteils der Befragten zu beobachten, die sagen, dass es seit der Unabhängigkeit des Landes insgesamt mehr Positives gebe. Unter den Befragten, die dies so sehen, sind deutlich mehr junge als ältere Menschen.