Prozess gegen Kolesnikowa : Die Frau, die in Belarus blieb
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Die belarussische Oppositionelle Marija Kolesnikowa beim Prozessauftakt am Mittwoch in Minsk; dahinter ihr mitangeklagter Anwalt Maksim Snak Bild: AP
Marija Kolesnikowa ist als letzte der drei Oppositionsführerinnen noch in Belarus. Seit sie sich ihrer Zwangsverschleppung widersetzt und ihren Pass zerrissen hat, sitzt sie in Haft. Nun hat der Prozess gegen sie begonnen.
Von den drei Frauen, die im vergangenen Jahr zum Symbol der Protestbewegung in Belarus geworden sind, leben zwei inzwischen im Exil. Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo haben das Land auf Druck der belarussischen Behörden verlassen und halten sich in Litauen und Polen auf. Marija Kolesnikowa jedoch widersetzte sich im September 2020 der Verschleppung, in dem sie ihren Pass zerriss. Seither sitzt sie in Haft. Die Vorwürfe in dem Prozess, der am Mittwoch begonnen hat, wiegen schwer: Es geht um eine Verschwörung zur Machtergreifung, die Gründung einer extremistischen Organisation und um die Gefährdung der nationalen Sicherheit. Kolesnikowa und ihrem mitangeklagten Anwalt Maxim Snak drohen bis zu zwölf Jahre Haft.
Doch Kolesnikowa widersetzte sich nicht nur ihrer Zwangsverschleppung, sie widersetzt sich weiter auch den Methoden von Machthaber Alexandr Lukaschenko. Statt sich einschüchtern zu lassen, verbreitet die Neununddreißigjährige auch aus der Haft heraus immer wieder Optimismus. So auch am Tag des Prozessauftakts: Ein Video zeigte Kolesnikowa lächelnd und mit rotem Lippenstift, wie sie in dem für Angeklagte in Belarus üblichen Käfig ein Herz mit ihren Händen formt. In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem russischen Onlinesender TV Doschd sagte sie über ihren Umgang mit den belarussischen Behörden: „Glaube ihnen nicht, fürchte dich nicht, bitte um nichts – und lache.“ Ein fairer Prozess ist nicht zu erwarten.
Am kommenden Montag, dem 9. August, jährt sich der Tag der gefälschten Präsidentenwahl, mit dem die Massenproteste in Belarus begonnen hatten. Seither geht der Diktator brutal gegen die Opposition vor, Tausende Belarussen sind festgenommen und misshandelt worden. Erst am Dienstag hatten die Behörden vier weitere Nichtregierungsorganisationen geschlossen – inzwischen sind es insgesamt mehr als sechzig –, die „destruktive Ideen“ verbreiteten und deren Aktivitäten der nationalen Sicherheit schadeten. Unter ihnen war unter anderem die Organisation Human Constanta, die sich für die Rechte von Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze einsetzt.
Ein Journalist aus dem Südwesten des Landes wurde laut belarussischem Journalistenverband Anfang der Woche wegen der Beleidigung Lukaschenkos und zweier Polizisten in einer inzwischen gelöschten Telegram-Gruppe zu eineinhalb Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe verurteilt; er wird von den Menschenrechtsschützern von Wjasna als politischer Gefangener geführt.