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Inhaftierter Aktivist in Belarus Der verstörende Twitter-Auftritt des Roman Protassewitsch

Diktator Lukaschenko ließ extra einen Ryanair-Flug umlenken, um ihn festzunehmen. Dass der Oppositionelle Roman Protassewitsch sich nun scheinbar heiter an seine Anhänger wendet, wirft Fragen auf.
Protestschild für die Freilassung von Roman Protassewitsch: »Es gibt Wunder;)«

Protestschild für die Freilassung von Roman Protassewitsch: »Es gibt Wunder;)«

Foto: Niall Carson / dpa

Es ist ein bizarrer Twitter-Auftritt, von der Opposition in Belarus skeptisch beäugt: Der politische Gefangene Roman Protassewitsch steht im Schatten eines Baumes, er lächelt in die Kamera und spricht: »Hallo Freunde, das hier ist mein neues Twitter. Ich kehre so langsam zurück ins Internetleben, ich bin jetzt immer erreichbar, ihr könnt mir jederzeit schreiben oder was kommentieren, ich versuche zu antworten, so schnell ich kann.«

Gäbe es das 15 Sekunden kurze Video nicht, man würde nicht glauben, dass der neu eröffnete Twitter-Account @protas_by überhaupt mit Protassewitsch zu tun hat – jenem oppositionellen Aktivisten, für dessen Festnahme das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko im Mai eigens einen Ryanair-Linienflug umlenken ließ. Es wirft Protassewitsch unter anderem »Organisation von Massenunruhen« vor.

Gefangene, noch dazu, wenn sie schwerer Straftaten beschuldigt werden, dürfen in Belarus üblicherweise kein Internet benutzen, und so stellt sich die Frage, wer genau die Aussagen auf Protassewitschs Account verfasst oder redigiert. »Seit wann dürfen gefährliche Terroristen das Internet benutzen?«, fragt ein Nutzer, und der Gefragte twittert zurück: »Es gibt Wunder;)«

Der Twitter-Auftritt fügt sich in eine Reihe fragwürdiger öffentlicher Auftritte. Noch im Untersuchungsgefängnis des belarussischen Geheimdienstes KGB wurde Protassewitsch vom Staatsfernsehen gezeigt, in einem »Interview«, das eher einem tränenreichen Geständnis gleichkam und währenddessen Schürfwunden an seinen Händen zu sehen waren. Später wurde er unangekündigt in einer Pressekonferenz vorgeführt.

An der Freiwilligkeit seiner Aussagen wurde damals und wird auch jetzt gezweifelt. Unter anderem behauptet der Twitter-Autor, Roman befinde sich im Hausarrest außerhalb von Minsk und wohne dort zusammen mit Sofija Sapega, seiner ebenfalls gefangenen Freundin.

Protassewitschs alter Twitter-Account @pr0tez existiert weiterhin, dort kann man seine Angriffe gegen Lukaschenkos Diktatur nachlesen.