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Zweiter Weltkrieg Ukrainischer Botschafter boykottiert Gedenkveranstaltung

Der Botschafter der Ukraine nimmt nicht an einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion teil. Den Beteiligten, darunter Bundespräsident Steinmeier, wirft er »Geschichtsverdrehung« vor – es geht ihm um den Veranstaltungsort.
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine, spricht von einem »Affront«

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine, spricht von einem »Affront«

Foto: Susanne Hübner / IMAGO

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk boykottiert eine Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Grund für die Absage seiner Teilnahme ist der Ort der Veranstaltung, das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst.

Dass die zentrale Gedenkrede des Bundespräsidenten ausgerechnet dort stattfinde, sei »aus Sicht der Ukrainer ein Affront, sehr bedauernswert und befremdlich zugleich«, schreibt der Botschafter in einem Brief an den Museumsdirektor Jörg Morré, der laut eigenen Angaben der Nachrichtenagentur dpa vorliegt und über den zuerst der »Tagesspiegel«  berichtete.

»Gezielte russische Geschichtsumdeutung«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet am Freitag im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst eine Ausstellung über sowjetische Kriegsgefangene. Der Botschafter kritisiert, dass die Dauerausstellung in dem Museum dem Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion (UdSSR) gewidmet ist, das Museum aber trotzdem nur Russland im Namen trägt – und nicht andere Sowjetrepubliken wie die Ukraine und Belarus, die im Zweiten Weltkrieg ebenfalls Millionen Opfer zu beklagen hatten.

»Auf diese Weise wird de facto die UdSSR mit Russland gleichgesetzt, was eine Geschichtsverdrehung darstellt und vehement abzulehnen ist«, schreibt Melnyk. »Es ist wirklich brandgefährlich, vor allem für die künftige deutsch-ukrainische Aussöhnung, dass diese gezielte russische Geschichtsumdeutung nach wie vor in der Bundesrepublik ein breites politisches und gesellschaftliches Echo findet.«

Historiker schätzen die Zahl der Weltkriegs-Opfer auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion auf etwa 27 Millionen. Die Ukraine hatte prozentual an ihrer Gesamtbevölkerung nach Belarus die höchsten Bevölkerungsverluste. Ukrainischen Angaben zufolge kamen zwischen acht und zehn Millionen Bewohner des heutigen ukrainischen Staatsgebiets zwischen 1939 und 1945 ums Leben. Am 22. Juni jährt sich der deutsche Überfall auf die Sowjetunion zum 80. Mal.

Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst befindet sich in dem Gebäude, in dem die Oberbefehlshaber der Wehrmacht in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 vor Vertretern der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und Frankreichs die bedingungslose Kapitulation unterzeichneten. Damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa.

nek/dpa