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Belarus Behörden sperren Zugang zu unabhängigem Nachrichtenportal Tut.by

Das belarussische Regime erhöht massiv den Druck auf unabhängige Medien. Nun trifft es das populäre Internetportal Tut.by. Sicherheitskräfte durchsuchten die Redaktionsräume, Behörden leiteten Ermittlungen gegen Mitarbeiter ein.
Chefredakteurin Marina Solotowa bei einem Gerichtstermin im Jahr 2019

Chefredakteurin Marina Solotowa bei einem Gerichtstermin im Jahr 2019

Foto: SERGEI GAPON / AFP

Die Internetseite des wichtigen unabhängigen Portals Tut.by in Belarus ist seit dem späten Dienstagmorgen nicht mehr erreichbar. »Der Mitbegründer von Tut.by, Kirill Woloschin, gibt bekannt, dass die Domain des Portals gesperrt wurde«, erklärte das Medium am Dienstag im Messengerdienst Telegram. Zuvor hatten die Ermittlungsbehörden die Redaktionsräume von Tut.by durchsucht. Mindestens 13 Mitarbeiter wurden den Angaben zufolge festgenommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft habe »zahlreiche Verstöße gegen das Massenmedien-Gesetz« festgestellt, teilte das Informationsministerium nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Belta mit. Deshalb sei die Internetseite blockiert worden.

Tut.by habe »verbotene Informationen« veröffentlicht, wie etwa Angaben von Bysol. Das ist einer von mehreren Solidaritätsfonds mit Sitz in Litauen, der Regimekritikern und Oppositionellen hilft, die von den Sicherheitsbehörden verfolgt werden. Sie erhalten finanzielle und organisatorische Unterstützung, etwa wenn sie entlassen oder angeklagt werden.

Zudem erklärten die Behörden, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen Verantwortliche von Tut.by eingeleitet worden seien, wegen mutmaßlicher Hinterziehung von Steuern in großem Umfang. Angebliche Steuerdelikte werden immer wieder als Vorwand genommen, um Oppositionelle und Kritiker von Diktator Alexander Lukaschenko zu verfolgen und einzusperren.

Sicherheitskräfte verschafften sich am Dienstag auch Zugang zu der Wohnung der Chefredakteurin, Marina Solotowa. Auf einem Foto auf Twitter war eine aufgebrochene Tür auf dem Hausflur zu sehen. Solotowa war telefonisch nicht erreichbar, auch andere Redakteure, die sich im Minsker Büro von Tut.by befinden, gingen nicht ans Telefon. Dort hängten Polizisten die Eingangstür mit schwarzer Folie zu. Durchsuchungen liefen auch in den Außenbüros der Redaktion. Es wurde von ersten Festnahmen berichtet.

Tut.by will über soziale Medien weiterarbeiten

Der wichtigsten und Reichweiten stärksten Nachrichtenseite Tut.by war bereits im Oktober die Lizenz entzogen worden. Damit gilt sie nicht mehr als Medienunternehmen, die Mitarbeiter nicht mehr als Journalisten. Sie arbeiteten dennoch weiter, gingen aber nicht mehr zu Protestaktionen, da das Risiko von Festnahmen zu groß war. Behörden behandeln die Tut.by-Mitarbeiter nicht mehr als Journalisten, sondern als Demonstranten.

Tut.by kündigte an, weiter über seine Kanäle in den sozialen Medien wie etwa Facebook  und Telegram  zu arbeiten. Dort berichtete das Portal am Dienstag auch über die Durchsuchungen.

Der Druck auf unabhängige belarussische Journalistinnen und Journalisten ist enorm. Mehrere wurden zu Haftstrafen verurteilt, wie etwa die beiden Reporterinnen Katerina Andrejewa und Darja Tschulzowa des kritischen Fernsehsenders Belsat TV. Sie wurden für zwei Jahre eingesperrt, weil sie regierungskritische Proteste im vergangenen Jahr gefilmt hatten.

Auch Mitarbeiter der Deutschen Welle verurteilt

Am Wochenende waren in Belarus zudem zwei Journalisten zu 20-tägiger Haft verurteilt worden, darunter ein freier Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW). Ein Gericht in der Stadt Mogiljow befand den belarussischen DW-Mitarbeiter Alexander Burakow sowie den für ein lokales Nachrichtenportal tätigen Wladimir Lapzewitsch für schuldig. Beide hätten zum wiederholten Male an einem »ungenehmigten Ereignis« teilgenommen.

Darüber hinaus wurden Dutzende Journalisten Opfer von Gewalt. Einige wurden bei den Protesten 2020 brutal geschlagen, andere von Gummigeschossen getroffen und mussten ins Krankenhaus. Die Organisation »Reporter ohne Grenzen« kritisiert die systematische Behinderung von Journalisten .

Polizei in Belarus erhält erweiterte Rechte bei Protesten

Lukaschenko hatte am Montag die Befugnisse der Polizei bei Protesten erweitert. So sind nun auch »Kampf- und Spezialtechniken« gegen Demonstrierende erlaubt. Außerdem müssen die Sicherheitskräfte nicht mit juristischen Konsequenzen beim »Anwenden physischer Gewalt« rechnen, sofern sie sich im Rahmen des Gesetzes verhielten.

heb/fek/AFP