Pressemitteilung Aktuell Belarus 22. Februar 2021

Belarus: Kulturszene soll mundtot gemacht werden

Orange-gelbe Grafik eines zeichnenden Künstlers auf grauem Hintergrund.

In Belarus gehen die Behörden brutal gegen kritische Stimmen vor und schneiden auch der dynamischen Kulturszene zunehmend die Luft ab. Amnesty International berichtet, wie Kulturschaffende aus Kunst, Musik, Literatur und Schauspiel willkürlich festgenommen und gefoltert werden, während andere ihre Stelle verlieren.

Im Rahmen der Kampagne #StandWithBelarus hat die Menschenrechtsorganisation einen neuen Bericht veröffentlicht, der aufzeigt, wie der kulturelle Sektor in Belarus infolge des scharfen Vorgehens der Behörden nach den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Lukaschenko immer stärker unterdrückt wird. Gegen zahlreiche Kulturschaffende wurden haltlose strafrechtliche Verfahren eingeleitet. Einige von ihnen befinden sich bereits hinter Gittern und müssen mit langen Haftstrafen rechnen.

Wer es wagt, auf kreativem und künstlerischem Wege Kritik an den belarussischen Behörden zu üben, wird gnadenlos verfolgt.

Aisha
Jung
Belarus-Expertin bei Amnesty International

"Das Ausmaß der Unterdrückung der Kulturszene in Belarus darf nicht unterschätzt werden. Die Behörden nehmen die inspirierende kulturelle Szene des Landes methodisch auseinander und gehen gezielt gegen die kreativsten Künstlerinnen und Künstler vor. Damit versuchen sie, auch die letzten Überreste der kritischen freien Meinungsäußerung zu beseitigen", so Aisha Jung, Belarus-Expertin bei Amnesty International. "Wer es wagt, auf kreativem und künstlerischem Wege Kritik an den belarussischen Behörden zu üben, wird gnadenlos verfolgt."

Vola Semchanka, eine Folksängerin und Tänzerin, die bis vor Kurzem als Kommunikationsassistentin für das Staatstheater in Mahiljou arbeitete, sagte Amnesty International, sie sei seit Oktober 2020 mehrmals festgenommen und mit Geldstrafen belegt worden, weil sie an "nicht genehmigten" Versammlungen teilgenommen haben soll. Zudem habe man sie am Arbeitsplatz drangsaliert. Der Direktor des Theaters weigerte sich damals, Vola Semchanka und andere Künstlerinnen und Künstler zu entlassen. In der Folge verlor er selbst seinen Job. Daraufhin entzog man Vola Semchanka die Verantwortung für zahlreiche Aufgabenbereiche, und am 18. Februar wurde ihr gekündigt. Kurz zuvor war der Amnesty-Bericht fertiggestellt worden, in dem auch ihre Geschichte erzählt wird.

"Nach meiner ersten Inhaftierung wollte ich nicht zuhause sein, daher übernachtete ich meistens bei Freundinnen und Freunden. Mittlerweile habe ich mich an ein Leben gewöhnt, in dem ich mich ständig in Gefahr fühle. Wir könnten alle jederzeit der staatlichen Verfolgung zum Opfer fallen", so Vola Semchanka gegenüber Amnesty International.

Tweet von der Belarus-Ukraine-Ländergruppe der deutschen Amnesty-Sektion:

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Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze kulturelle Einrichtungen werden zur Zielscheibe staatlicher Repressionen – so auch das Nationale Akademische Janka-Kupala-Theater. Im August 2020 setzte sich Theaterdirektor Pavel Latushko öffentlich für die friedlichen Protestierenden ein. Sein Vertrag wurde umgehend beendet und mehr als 60 Angestellte, darunter so gut wie alle Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaters, kündigten aus Protest. 

"Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die belarussischen Behörden die kreativsten Köpfe des Landes mundtot machen. Unsere globale Solidaritätskampagne unterstützt alle friedlichen Mittel des Protests und des Widerstands der Menschen in Belarus angesichts der zynischen und unheilvollen Versuche der Behörden, ihnen ihre Menschenrechte abzusprechen und ihren Zugang zu vielfältigen Ideen und Meinungen einzuschränken", so Aisha Jung.

Hintergrund

Die globale Solidaritätskampagne #StandWithBelarus von Amnesty International wurde am 27. Januar 2021 ins Leben gerufen. An diesem Tag veröffentlichte die Organisation einen neuen Bericht, aus dem hervorgeht, dass in Belarus das Justizsystem dazu missbraucht wird, die Überlebenden von Folter zu bestrafen, anstatt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Kampagne läuft noch bis Mitte Mai. Amnesty International wird regelmäßig darüber berichten, wie die verschiedenen Bereiche der belarussischen Gesellschaft ins Visier genommen werden. Seit der Unabhängigkeit von Belarus hat es in dem Land kein derartig hartes Vorgehen gegen die Menschenrechte mehr gegeben. Auf der ganzen Welt werden Unterstützerinnen und Unterstützer von Amnesty International an verschiedenen Aktionen teilnehmen, um ihre Solidarität mit den friedlichen Protestierenden in Belarus auszudrücken.

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