In Weissrussland steht der populäre frühere Bankier und Lukaschenko-Gegner Babariko vor Gericht

Die weissrussische Diktatur ist dabei, die aus politischen Gründen inhaftierten Oppositionellen definitiv hinter Gitter zu bringen. Die politische Verhärtung in Russland dürfte sie darin noch bestärken.

Markus Ackeret, Moskau
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Wiktor Babariko wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der Geldwäscherei sowie Korruption in grossem Umfang vorgeworfen.

Wiktor Babariko wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der Geldwäscherei sowie Korruption in grossem Umfang vorgeworfen.

Oksana Manchuk / AP

In Weissrussland sind jetzt die Gerichte an der Reihe. Monate der politischen Verfolgung von Protestierenden, Aktivistinnen, Journalistinnen und Politikern mündeten in Strafprozesse. Am Mittwoch begann das Gerichtsverfahren gegen Wiktor Babariko, den langjährigen Chef der Belgazprombank, der im vergangenen Mai seine Absicht bekundet hatte, bei der Präsidentschaftswahl anzutreten. Als klar wurde, dass der erfahrene Wirtschaftsfachmann und Kunstmäzen eine reale Chance gegen den Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko haben dürfte, wurde er zusammen mit sieben seiner früheren Mitarbeiter festgenommen. Ihm wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der Geldwäscherei sowie Korruption in grossem Umfang vorgeworfen.

Weiterhin ein Hoffnungsträger

Babariko bestreitet die Vorwürfe vollumfänglich; die Mitangeklagten räumten ihr Verschulden ein und arbeiteten mit der Anklage zusammen. Das erleichtert es dieser und den staatlichen, als einzige zur Berichterstattung im Gericht zugelassenen Medien, Babarikos Position infrage zu stellen. Warum dieser denn nicht Beweise für seine Unschuld vorgelegt habe und stattdessen nur Lärm mache, fragte eine Journalistin einen Unterstützer Babarikos im Gericht. Babariko ist nach wie vor der grösste Hoffnungsträger in der weissrussischen Bevölkerung. Darauf deuten jüngste, angesichts der Lage im Land zwangsläufig nur bedingt aussagekräftige Umfragen hin.

Die Festnahme Babarikos und davor bereits jene des Unternehmers und populären Videobloggers Sergei Tichanowski zeigten frühzeitig die Nervosität im Regime an. Besonders die Ambitionen Babarikos, der jahrelang für den Ableger einer russischen Bank gearbeitet hatte, wurden zum Argument für eine im Rückblick irrwitzig erscheinende Kampagne Lukaschenkos gegen Moskau. Denn mittlerweile hat sich Lukaschenko in seiner Not vollständig von Russland abhängig gemacht. Damals jedoch verunglimpfte der Autokrat den Bankier als Marionette des Kremls. Indirekt bestätigte er damit die Bedrohung, die er in dem politischen Gegner sah.

Mit Babariko trat jemand aus der wirtschaftlichen Elite des Landes an, der weder die alte, verbiesterte Opposition repräsentierte noch von Russland sogleich als Agent des Westens verunglimpft werden konnte. Die Geldwäscherei-Vorwürfe waren so plötzlich aufgetaucht, dass sie von Anfang an unglaubwürdig wirkten. Ein fairer Prozess ist nicht zu erwarten. Der Richter ist vorbelastet, und der Umstand, dass die Verhandlung vor dem Obersten Gericht stattfindet, ist vielsagend: So ist Babariko von vornherein die Berufung gegen das Urteil verwehrt. Am ersten Verhandlungstag wies das Gericht alle Anträge der Verteidigung ab, unter anderem die Verlegung von der Untersuchungshaft in den Hausarrest.

Verschärfte Anklage gegen Kolesnikowa

An Babarikos Stelle nahm im vergangenen Sommer seine Vertraute Maria Kolesnikowa den Kampf gegen das Regime auf, an der Seite der Gattin des ins Exil gedrängten Oppositionskandidaten Waleri Zepkalo und der einzigen registrierten «echten» oppositionellen Präsidentschaftskandidatin, Swetlana Tichanowskaja. Diese hätte nach Einschätzung vieler Beobachter die Präsidentschaftswahl im August gewonnen, wäre sie nicht zugunsten Lukaschenkos gefälscht worden.

Kolesnikowa wurde nach Tichanowskajas erzwungener Ausreise zum Symbol für den Widerstandsgeist der Weissrussinnen. Seit September sitzt auch sie in Untersuchungshaft. Ihr und einem weiteren Mitglied des oppositionellen Koordinierungsrats, dem Anwalt Maxim Snak, wird demnächst ebenfalls der Prozess gemacht werden. Die Anklage gegen die beiden wurde jüngst von den Ermittlern verschärft: Es wird ihnen jetzt die Verschwörung zur Machtergreifung mit illegalen Mitteln sowie die Bildung und Führung einer extremistischen Gruppierung vorgeworfen.

Ein Ende der Repressionen ist nicht abzusehen. Im Gegenteil dürfte die politische Verhärtung in Russland, wo Lukaschenko demnächst wieder von Präsident Putin erwartet wird, den Machtapparat in der Notwendigkeit der Abwehr feindlicher Kräfte bestärkt haben. Am Dienstag fanden landesweit Dutzende von Hausdurchsuchungen bei Journalisten, Bürgerrechts- und Gewerkschaftsaktivisten statt. Die Behörden sind angeblicher Finanzierung der Proteste aus dem Ausland auf der Spur. Ein Gesetz, das nach russischem Vorbild die ausländische Finanzierung von Organisationen de facto verbietet, ist in Vorbereitung. Die Betroffenen rechnen jeden Tag mit der Festnahme wegen «Organisation von Massenunruhen». Am Donnerstag dürften die Journalistinnen Katerina Andrejewa und Daria Tschulzowa unter demselben Vorwand zu einer Haftstrafe verurteilt werden, obwohl sie nur ihre Arbeit gemacht hatten.