Sanktionsliste gegen Medwedtschuk, Selenskyj kündigt Justizreform an, Gazprom reduziert Ukraine-Transit erheblich sowie weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Am 21. Februar herrschte im größten Teil des Einsatzgebietes der ukrainischen Vereinten Kräfte Ruhe. Es wurde nur ein Verstoße gegen die Waffenruhe gemeldet. Ähnlichen Beschuss gab es auch an anderen Tagen der Woche.

Donbass am Rande einer Umweltkatastrophe. Im besetzten Donbass droht eine ökologische Katastrophe von internationalem Ausmaß – durch die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden. Das erklärte der stellvertretende Ministerpräsident und Minister für die Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete, Oleksij Resnikow, bei einem Briefing. Ihm zufolge ist die Verschmutzung auf Explosionen großer Mengen Munition und die Flutung von Bergwerken zurückzuführen.

Darüber hinaus besteht die Gefahr einer Strahlenbelastung, da die Besatzungsbehörden vor zwei Jahren das Abpumpen von Wasser aus der Junkom-Mine eingestellt haben, wo 1979 Atomtests stattfanden. Es wird vermutet, dass kontaminiertes Wasser bereits in Bodenschichten mit Trinkwasser vordringt. “Die Ukraine hat an die IAEO appelliert, eine Expertengruppe zur Überwachung der Lagerung radioaktiver Stoffe in den besetzten Gebieten zu bilden. Bis 2014 gab es dort mehr als 1000 Quellen für radioaktive Strahlung. Die Frage ist jedoch, ob die russischen Besatzungstruppen die Experten zulassen”, sagte Resnikow. Er betonte, dass auch in anderen stillgelegten Minen kein Wasser mehr abgepumpt werde und dass die Arbeiter vor Ort gegen Umweltvorschriften verstoßen würden.


Sanktionen des Sicherheits- und Verteidigungsrates gegen Viktor Medwedtschuk

Am 20. Februar 2021 unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Dekret über die Umsetzung des Beschlusses des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates. Dieser hatte Sanktionen gegen Viktor Medwedtschuk, seine Frau Oksana Martschenko sowie sechs weitere Personen und 19 juristische Personen verhängt. Die USA begrüßen die Sanktionen, während Russland die Maßnahmen der ukrainischen Führung als “Gefahr für die Demokratie” bezeichnet. 

Medwedtschuk ist Abgeordneter des ukrainischen Parlaments der prorussischen Partei “Oppositions-Plattform – Fürs Leben”. Er gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Patenonkel der gemeinsamen Tochter von Medwedtschuk und Martschenko ist.

Was ist der Grund für Sanktionen? Der Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Oleksij Danilow, betonte, die Sanktionen gegen Medwedtschuk und Martschenko seien wegen des Vorwurfs der “Terrorismusfinanzierung” verhängt worden. Der Vorsitzende des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU), Iwan Bakanow, fügte hinzu, der SBU werde nachweisen, dass aus den vorübergehend besetzten Gebieten Kohle nach Russland und in die Ukraine geliefert werde. Dies werde offenlegen, wie die terroristischen Aktivitäten der sogenannten “Volksrepublik Luhansk” finanziert würden. “Das wird die Grundlage dafür sein, Tatverdacht gegen Vertreter eines Unternehmens zu erheben”, so Bakanow. Er sagte allerdings nicht, um welches Unternehmen es sich handele.

Wer genau unterliegt den Sanktionen? Zu den Personen auf der Sanktionsliste gehört neben Medwedtschuk auch Natalia Lawrenjuk. Sie ist die Lebensgefährtin von Taras Kosak, der als enger Verbündeter von Viktor Medwedtschuk gilt. Kosak ist der formelle Eigentümer eines Großteils von Medwedtschuks Medienimperium. Lawrenjuk hat mit Kosak ein gemeinsames Kind, doch sie taucht nicht in seiner Einkommens- und Vermögenserklärung auf. Laut dem investigativen ukrainischen TV-Magazin “Schemy” besitzt Lawrenjuk eine 657 Quadratmeter große Wohnung im Wert von umgerechnet 13 Millionen Dollar im Zentrum von Moskau in einem der teuersten Wohnobjekte der russischen Hauptstadt, dem Knightsbridge Private Park. Lawrenjuk treibt gemeinsam mit den Eheleuten Martschenko und Medwedtschuk Erdöl-Geschäfte in Russland und verfügt über weiteres Eigentum in der Ukraine.

Auf der Sanktionsliste stehen auch die Russen Aleksandr Masljuk, Vitalij Dontschenko und Sergej Lisogor. Sie sind die Gründer des Handelshauses “Donskije ugli”. Das Unternehmen treibt Handel mit Kohle aus dem besetzten Donbass. Laut dem Portal “RBK-Ukraina” wurden die zuvor vom Sicherheits- und Verteidigungsrat gesperrten Fernsehkanäle “112 Ukrajina”, “ZIK” und “NewsOne”, die formal Taras Kosak gehören, teilweise über dieses im russischen Rostow am Don registrierte Unternehmen finanziert. Sergej Lisogor ist auch Direktor der Firma “Strategia”, die Kraftstoff vertreibt. Mit ihr ist die Firma “Tawrija-Sewer” verbunden. Als deren Gründer ist die zypriotische Firma “Ventolor Investments Limited” angegeben, die Oksana Martschenko, also Medwedtschuks Frau gehört.

Was genau bedeuten die Sanktionen? Unter die Sanktionen fallen auch fünf Flugzeuge, die auf der Strecke Kiew-Moskau verkehrten. “Die sanktionierten Maschinen führten Flüge unter Verstoß gegen ukrainische Vorschriften aus”, erklärte das Büro des ukrainischen Präsidenten. Die Unternehmen, die sie betrieben, stehen nun auf der Sanktionsliste. Die Ukraine hatte bereits im November 2015 alle Direktflüge zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation eingestellt.

Der ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat wies außerdem an, die Ölpipeline aus dem russischen Samara, die Richtung Westen verläuft, wieder in ukrainischen Staatsbesitz zu überführen. Dies betrifft die 1433 Kilometer der Leitung, die durch die Ukraine führen. Dieser Abschnitt der Pipeline wird von der Firma “PrykarpatSachidTrans” betrieben, die mit Viktor Medwedtschuk verbunden ist. Der Sicherheits- und Verteidigungsrat ist überzeugt, dass die Pipeline von ausländischen Unternehmen genutzt wird, die im Besitz ukrainischer Staatsbürger sind. Außerdem habe keine Privatisierung der Leitung stattgefunden.

Reaktion in Russland. Als der Beschluss des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrates bekannt wurde, erklärte Dmitrij Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten, dass Sanktionen gegen Viktor Medwedtschuk “alarmierende Informationen” seien, was zu einer militärischen Lösung der Lage im Donbass führen könnte. Ihm zufolge bewertet der Kreml das Vorgehen der ukrainischen Staatsführung als Unterdrückung von Medien, Bürgern und Politikern. Der Vorsitzende der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, sagte, andere Länder, die die Menschenrechte unterstützen, sollten den Beschluss der ukrainischen Führung verurteilten. Er betonte, die Sanktionen seien eine “ernsthafte Herausforderung für die Demokratie”.


Präsident Selenskyj kündigt weitere Justizreform an

Am 13. Februar berichtete der Pressedienst des ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj lege dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Überprüfung der Integrität der Mitglieder des Hohen Justizrates vor. Die Reform steht in einem Zusammenhang mit den Verpflichtungen der Ukraine gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Kurz zuvor hatte eine IWF-Mission ihre Arbeit in der Ukraine abgeschlossen und betont, dass für eine weitere Unterstützung der Ukraine durch den IWF größere Fortschritte bei den Reformen nötig seien.

Dieses Ergebnis war erwartet worden, da die Ukraine die meisten Bedingungen für den Erhalt einer weiteren IWF-Kredittranche – etwa 1,2 Milliarden US-Dollar – nicht erfüllt hat. Dies gilt insbesondere für das Reformgesetz über den Hohen Justizrates, das noch Ende Oktober letzten Jahres verabschiedet werden sollte.

Auch die EU betont, dass eine Reform des Hohen Justizrates dringend nötig sei. Dies hatte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, auf einer kürzlich abgehaltenen Sitzung des Assoziationsrates EU-Ukraine betont. Während ihrem jüngsten Treffen mit Präsident Selenskyj erinnerten auch die G7-Botschafter an die fehlenden Fortschritte bei der Justizreform und äußerten sich besorgt über aktuelle Gesetzgebungsinitiativen bezüglich der Justiz.

Was ist los mit dem Hohen Justizrat? Der Hohe Justizrat ist das Hauptorgan der Justiz des Landes. Er hat nahezu vollständige Kontrolle über die Ernennung und Entlassung von Richtern und kann sie vor rechtswidrigen Angriffen und vor Verfolgung wegen Verstößen in Schutz nehmen. 

Gerade der Hohe Justizrat ist verantwortlich dafür, dass fast alle Richter ihre Positionen behielten, die während der Revolution der Würde 2013-2014 friedliche Versammlungen verboten und Aktivisten verfolgt hatten. Der Hohe Justizrat deckt auch Richter von Bezirksgerichten und setzt mit Disziplinarverfahren Richter des Hohen Anti-Korruptions-Gerichts unter Druck. Zudem weigert sich der Hohe Justizrat, Richter zu entlassen, die unwahre Angaben in ihren Einkommens- und Vermögenserklärung machen, willkürliche Urteile fällen oder sich betrunken ans Steuer setzen.

Das Problem liegt in der Bildung dieses Gremiums: Die Hälfte (zehn) der Mitglieder des Hohen Justizrates wird von den Richtern selbst gewählt, jeweils zwei weitere werden auf Kongressen der Anwälte, der Wissenschaftler und der Staatsanwälte,sowie vom Parlament und vom Präsidenten bestimmt. Der Vorsitzende des Obersten Gerichts gehört automatisch dem Hohen Justizrat an. Somit haben die Richter, die vom Hohen Justizrat gewählt werden, die Mehrheit in dem Organ. Kandidaten für den Hohen Justizrat werden nicht auf ihre Integrität hin überprüft. Hauptkriterium für eine Auswahl ist Loyalität denjenigen gegenüber, von denen sie bestimmt werden. Dieser Teufelskreis kann nur mit einem neuen Auswahlverfahren für die Mitglieder des Hohen Justizrates durchbrochen werden, wenn künftige Mitglieder des Gremiums nicht von Richtern, Anwälten oder Staatsanwälten mit zweifelhaftem Ruf, sondern von unabhängigen Experten von außerhalb des Systems gewählt werden. Daher ist es kein Zufall, dass die Reform des Hohen Justizrates im Mittelpunkt der Justizreform steht.

Der Gesetzentwurf schlägt als Lösung dieses Problems einen Ethikrat vor, der aus drei vom Richterrat delegierten Richtern oder pensionierten Richtern und drei internationalen Experten bestehen soll, die von internationalen Organisationen ernannt werden, mit denen die Ukraine zusammenarbeitet. Aufgabe des Ethikrates wäre, die Integrität der Kandidaten für den Hohen Justizrat zu bewerten und eine Liste mit empfohlenen Kandidaten zu erstellen. Der Gesetzentwurf muss noch vom Parlament erörtert und gebilligt werden.


Gazprom reduziert den Gastransit durch die Ukraine

Der russische Konzern Gazprom hat seit dem 17. Februar den Gastransit durch die Ukraine erheblich reduziert, während er in den ersten 16 Tagen des Monats auf einem relativ stabilen Niveau war. Vom 1. bis 16. Februar pumpte Gazprom pro Tag durchschnittlich 119 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine. Doch am 17. Februar waren nur 94,9 Millionen Kubikmeter, was ein Minus von 20% im Vergleich mit den ersten 16 Tagen im Februar bedeutet. Am 18. Februar waren es nur noch 88,2 Millionen Kubikmeter und damit 26% weniger als zu Monatsbeginn. Im Januar 2021 pumpte Gazprom täglich durchschnittlich 124,51 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine und im Dezember 2020 waren es 182,63 Millionen Kubikmeter.

Gemäß den Bestimmungen des “Minsker Abkommens” bucht Gazprom 2021 für den ukrainischen Transit langfristig 110 Millionen Kubikmeter pro Tag. Der Gastransit nach Europa über das ukrainische Gastransportsystem ist bereits im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 38% zurückgegangen.

Hauptgrund für die Reduzierung des Transits nach Europa ist die Inbetriebnahme neuer Gaspipelines unter Umgehung der Ukraine sowie die Verringerung der Nachfrage nach Erdgas in der EU sowie erhebliche bestehende Gasreserven in europäischen unterirdischen Gasspeichern.

Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

Die Situation mit dem Coronavirus in der Ukraine hat sich insbesondere aufgrund der Zunahme der Infektionszahlen im Westen des Landes verschlechtert. Ein Anstieg ist in fünf westlichen Regionen zu verzeichnen: Iwano-Frankiwsk, Transkarpatien, Tschernowitz, Winnyzja und Ternopil. Die Zahl der Neuerkrankungen im ganzen Land stieg letzte Woche auf rund 6000 pro Tag. Am 21. Februar wurde bei 3206 Menschen COVID-19 diagnostiziert, 1443 Patienten wurden ins Krankenhaus eingeliefert, 53 Patienten starben und 1353 Menschen wurden als genesen gemeldet.

Isolierung einzelner Orte im Westen. Die Lage hat sich vor allem in der Region Iwano-Frankiwsk verschlechtert, wo sich das Skigebiet Bukovel befindet, das während eines harten Lockdowns in anderen Gebieten des Landes geöffnet blieb. Derzeit ist die Situation in der Region Iwano-Frankiwsk die schlimmste landesweit. Die Anzahl der Patienten hat sich in nur einem Monat vervierfacht. Es werden bereits Patienten in andere Landesteile gebracht. Aufgrund der Zunahme von Coronavirus-Fällen in der Region wurden 16 Kontrollpunkte für die Ein- und Ausreise aus einzelnen Ortschaften eingerichtet. An den Kontrollpunkten sind Polizisten, Mediziner und Soldaten im Einsatz. Dort wird die Einhaltung der Quarantäne-Bestimmungen im Bereich des Personenverkehrs kontrolliert, aber auch die Körpertemperatur der Reisenden.

Impfung. Die geplante Impfung in der Ukraine hat noch nicht begonnen. Letzte Woche reiste Gesundheitsminister Maksym Stepanow nach Indien, um die Lieferungen des vertraglich vereinbarten Impfstoffs zu überwachen. Er sagte, in Indien seien bereits 500.000 Dosen AstraZeneca-Impfstoff verpackt worden und sie seien auf dem Weg in die Ukraine.