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Ausland Proteste gegen Lukaschenko

So will Deutschland Weißrusslands Opposition helfen

Unerschrocken: Immer wieder gehen Lukaschenko-Gegner auf die Straße Unerschrocken: Immer wieder gehen Lukaschenko-Gegner auf die Straße
Unerschrocken: Immer wieder gehen Lukaschenko-Gegner auf die Straße
Quelle: ap/ dpa
Seit mehr als 80 Tagen schon halten die Proteste gegen Diktator Alexander Lukaschenko in Weißrussland an. Nun beschließt der Bundestag ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Opposition – es könnte für Europa wegweisend sein.

Weißrusslands exilierte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja gibt sich dieser Tage als die gewählte Präsidentin ihres Landes. Wenige Stunden nach dem Terroranschlag in Wien sprach sie Österreich in ihrem Telegram-Kanal im Namen ihrer Landsleute ihr Beileid aus. Fast so, als säße sie im Präsidentschaftspalast in Minsk. Von der Realität könnte das nicht weiter entfernt sein. Der Autokrat Alexander Lukaschenko erhöht derzeit sogar den Druck auf diejenigen, die seit bald drei Monaten zu Zehntausenden gegen ihn auf die Straße gehen. So werden oppositionelle Studenten und Lehrkräfte nun zwangsexmatrikuliert beziehungsweise entlassen.

Brutale Festnahmen, durch zahlreiche Opferaussagen belegte Folter in Haft, der Einsatz von Blendgranaten und Wasserwerfern – in Weißrussland gilt das als alltäglich. Neuerdings werden Demonstranten nach dem Strafgesetzbuch angeklagt: Ihnen drohen statt Geldstrafen und maximal zwei Wochen Arrest jetzt bis zu drei Jahre Haft. Allein nach der Protestaktion vom vergangenen Sonntag werden 230 Menschen strafrechtlich verfolgt.

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Kürzlich hat Lukaschenko den ehemaligen Polizeichef von Minsk, Iwan Kubrakow, zum neuen Innenminister ernannt. Kubrakow steht auf EU- und US-Sanktionslisten. Doch die bisherigen Strafmaßnahmen gegen die Führung Weißrusslands und die Verantwortlichen für die staatliche Gewalt auf den Straßen sind nach Ansicht deutscher Parlamentarier nicht genug.

Der Bundestag nun soll am Mittwoch einen Antrag zum Thema Weißrussland beschließen. Das vorläufige Dokument, dessen Inhalt aller Wahrscheinlichkeit nach angenommen wird, liegt WELT vor. Darin wird das Wahlergebnis vom 9. August nicht anerkannt, es werden Sanktionen gegen Lukaschenko und Personen aus dessen Umfeld gefordert sowie die – auch finanzielle – Unterstützung der weißrussischen Zivilgesellschaft, politisch Verfolgter und der Opposition, auch des oppositionellen Koordinierungsrats. Dessen Mitglieder, allen voran Tichanowskaja, befinden sich im Exil.

Ein wegweisender Antrag für die EU

Gerade dieser letzte Punkt ist beachtlich, denn damit stellt sich der Bundestag eindeutig auf die Seite der Opposition. Der zu beschließende Maßnahmenkatalog ist zudem konkret hinsichtlich der Hilfe, die geleistet werden soll, und Akteure werden namentlich genannt.

Der Antrag könnte in der EU wegweisend für den Umgang mit der weißrussischen Opposition werden. Mit seiner Annahme wäre es an der Bundesregierung, ihn umzusetzen. Erste Schritte wären Hilfsleistungen für unabhängige Medien in Weißrussland und weißrussische Medien im Exil, die Einführung von Stipendienprogrammen für Studenten und Wissenschaftler und nicht zuletzt Visa-Erleichterungen für Weißrussen.

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Lange konnte sich die EU nicht auf Sanktionen gegen die Führung in Minsk einigen. Die Gruppe der zögerlichen EU-Mitglieder würde Deutschland mit der Annahme und Umsetzung des Weißrussland-Antrags nun verlassen und sich als größtes kritisches Mitglied der Gemeinschaft neben Litauen und Polen positionieren.

Beide Länder haben früh Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime gefordert. Die Regierungen unterstützten zudem nicht nur rhetorisch, sondern tatkräftig die Opposition. Litauen etwa bot Tichanowskaja Schutz, Polen beherbergt etliche weißrussische Oppositionelle und stellt finanzielle Mittel zur Verfügung. Zudem sendet der oppositionelle weißrussische Kanal Nexta von Warschau aus.

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Im Bundestagsantrag ist deswegen auch explizit die Rede davon, Litauen und Polen in ihren Anstrengungen gegenüber der weißrussischen Opposition zu unterstützen.

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Der interfraktionelle Antrag der Unionsfraktion, der SPD und der Grünen geht auf eine Initiative der Grünen zurück. Angetrieben wurde das Projekt vom Abgeordneten Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik und Mitglied im EU- und Auswärtigen Ausschuss. In der CDU und der SPD wurde die Initiative jeweils von den Abgeordneten Johann Wadephul und Nils Schmid aufgenommen.

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Weißrussland

Die AfD, die Linkspartei und die FDP beteiligten sich nicht an der Ausarbeitung des Antrags. Allerdings erklärte Renata Alt, FDP-Abgeordnete und ebenfalls Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, auf Nachfrage von WELT, sie begrüße es grundsätzlich, dass die Lage in Belarus nun wieder auf die Agenda im Deutschen Bundestag komme.

„Die große Koalition legt jetzt, fast drei Monate nach dem Anfang der Proteste, einen Antrag vor, in dem sie das fordert, was man schon im August hätte machen können, nämlich die demokratische Opposition in Belarus mit proaktiven Asylangeboten an die Aktivisten und humanitärer Hilfe für die Opfer von Polizeigewalt zu unterstützen“, so Alt. Ihr geht das nicht weit genug. Die FDP-Fraktion möchte deshalb einen eigenen Antrag einbringen. Darin werde zum Beispiel auch der Ausbau der Weißrussland-Redaktion der Deutschen Welle gefordert.

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