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Kolumne Die unselige Allianz deutscher Konzerne mit Putin

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Sanktionen gegen Nord Stream 2 treffen auch die beiden deutschen Konzerne Uniper und DEA Wintershall. Doch sie sind selber schuld daran

Nach dem hinterhältigen Mordanschlag auf den russischen Regimekritiker Alexej Nawalny gibt es nur eine einzige Sanktion, die Wladimir Putin wirklich hart treffen würde: ein vorläufiger Baustopp für die Erdgaspipeline Nord Stream 2. Und zum ersten Mal seit vielen Jahren ist es nicht mehr völlig ausgeschlossen, dass es zu einer solchen Maßnahme auch wirklich kommt. Im Bundestag zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab, quer durch fast alle Fraktionen.

Eines der noch verbliebenen Hauptargumente gegen den Baustopp lautet, die EU schieße sich damit ökonomisch selbst ins Bein. Denn das Geld für die Gaspipeline stammt keineswegs nur vom russischen Monopolisten Gazprom. Insgesamt Fünf Konzerne aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Frankreich tragen ein Teil des großen Risikos mit. Im Falle der beiden deutschen Unternehmen, DEA Wintershall und Uniper, geht es allein um fast 2 Mrd. Euro. Sanktionen gegen Nord Stream 2 könnten sie dazu zwingen, ihr Investment abzuschreiben.

Nord Stream 2 ist ein politisches Projekt

Die deutschen Privatunternehmen Uniper und GEA Wintershall als unschuldige Opfer möglicher staatlicher Sanktionen – so lautet das Narrativ der Konzerne. Aber es stimmt eben nicht. Nord Stream 2 war von Anfang an keine „privatwirtschaftliche“ Angelegenheit, wie die beiden Konzerne fälschlicherweise behaupten. Man muss sich nur zurückerinnern: Im August 2016 mussten sich die fünf Konzerne offiziell aus der Projektgesellschaft Nord Stream 2 verabschieden. Nach einem Einspruch der polnischen Wettbewerbshüter stand der Bau der Gaspipeline vor dem Aus.

Doch die fünf westeuropäischen Konzerne kamen auf eine grandiose Idee, wie sie das Urteil der Polen umgehen könnten: Sie zogen sich offiziell als Gesellschafter des 50:50 Joint-Ventures mit Gazprom zurück, wandelten ihre Beteiligungen in Wahrheit aber nur eins zu eins in Kredite um. Dieses Geld steht bei Uniper und DEA Wintershall nun im Feuer, wenn es zu Sanktionen kommt.

Die ganze Geschichte von Nord Stream 2 ist eine einzige Geschichte des Versuchs, die politischen Widerstände vieler EU-Mitgliedsländer geschickt auszuhebeln. Die Bundeskanzlerin gab im April 2018 selbst zu, dass es bei dem Großprojekt keineswegs nur um ökonomische, sondern auch politische Fragen gehe. So ist es. Wenn als einzige politische Möglichkeit, Putin zu stoppen, nur Sanktionen gegen Nord Stream 2 bleiben, dann müssen sich die deutschen Konzerne dem politischen Primat beugen.

Die deutsche Wirtschaft muss die Allianz mit Putin überdenken

Sie sind selber schuld, dass sie in die jetzige Zwangslage geraten sind. Seit Jahren betreiben Teile der deutschen Wirtschaft wider alle Vernunft eine Art Nebenaußenpolitik gegenüber Russland. Als Aushängeschild dafür gibt sich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder her, der als Vorsitzender des Nord Stream Verwaltungsrats in der Schweiz amtiert. Und der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft war im Streit um das Projekt streckenweise nicht mehr von einer Lobby für Putin zu unterscheiden.

Es wird Zeit, dass die deutsche Wirtschaft die unselige Allianz mit dem russischen Verbrecherregime Putins überdenkt. Die klammheimliche Unterstützung Schröders durch einige Konzerne (und die stille Bewunderung vieler anderer für ihn) passt nicht mehr in die Zeit. Und wer trotzdem hochriskante Geschäfte mit Putin machen will, sollte sich am Schluss nicht beschweren, wenn sie mit hohen Verlusten enden.

Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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